12. Februar 2012

Dilemma: Tibetisches Neujahr - feiern oder nicht feiern?


Die ohnehin besorgniserregende Lage in Tibet ist in letzter Zeit besonders prekär geworden. Aus Protest gegen die Unterdrückung begehen die Menschen rituelle Selbstverbrennungen oder demonstrieren auf der Strasse und riskieren damit, von den Sicherheitskräften verhaftet oder sogar getötet zu werden.

Die exiltibetische Verwaltung in Indien hat deshalb als Geste der Pietät und Solidarität zum Verzicht auf das Neujahrsfest (Losar) aufgerufen.

Wir sind im Zwiespalt: Sollen wir das Neujahr feiern, als ob nichts geschieht? Oder sollen wir trauern und Losar unbeachtet vorbeiziehen lassen? 

Zum einen sind wir emotional solidarisch mit den Opfern der Gewalt. Zum andern ist aber gerade die Losar-Feier eine der ganz wenigen Gelegenheiten im Jahr, wo die Kinder lebendiges tibetisches Brauchtum erleben können:

Man stellt Wochen vorher zusammen einen ganzen Tag lang Backwaren her, die es nur zum Neujahr gibt – da herrscht genau so eine heimelige und wohlige Stimmung wie beim Guezle für Weihnachten; am Neujahrstag zieht man tibetische Kleider an, die sonst das ganze Jahr über unbeachtet im Schrank hängen; man bereitet traditionelle Speisen und Getränke zu; man gibt sich Mühe mit der Sprache und versucht, sich an diesem einen Tag ausschliesslich auf Tibetisch zu verständigen; ältere Semester tragen traditionelle Volkslieder vor und schwingen das Tanzbein; Jüngere imitieren die neuesten Volksschlager und Poplieder aus Tibet.

Der Neujahrstag stellt kurz gesagt gelebte, tibetische Identität dar für Jung & Alt. Diesen einen Tag im Jahr komplett zu kippen, kann deshalb auch kontraproduktiv sein.

TibKids hat das Dilemma thematisiert. Die Kinder diskutieren Pro & Kontra und entscheiden dann, am Tanzprogramm für das Neujahr festzuhalten. Nicht weil ihnen die Menschen in Tibet gleichgültig sind, sondern weil sie mit ihren Liedern und Tänzen gerade die Werte zu leben versuchen, für die die Menschen in Tibet manchmal mit dem Leben bezahlen müssen.

Zudem findet die Vorführung in einem tibetischen Kloster statt, also auf heiligem Boden. Man macht nicht einfach nur spasseshalber Party, sondern offeriert die Darbietung den drei Juwelen: Buddha, seiner Lehre sowie der Sangha (buddhistische Gemeinschaft von Mönchen und Nonnen).

Hut ab, Kids, ihr seid mutig.

Psychologisch gesehen ist euer Entscheid zudem klug: Damit tibetische Kultur auch in der dritten Generation eine Chance hat, sollte sie bewusst mit positiven Impulsen verbunden werden.

Mögen alle Wesen mit Glück und den Ursachen von Glück gesegnet sein!


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